Seien wir ehrlich: Wenn unsere Hunde unter Schmerzen leiden, leiden wir mit ihnen!
Was uns oft noch mehr belastet, ist die Frage, wie wir ihnen helfen können.
Da das Thema "Schmerz" ein so unendlich weites Feld ist, habe ich versucht, einen groben Überblick über einzelne Bereiche zu geben, die für HundebesitzerInnen interessant sein können. Daraus sind 3 Teile entstanden, die Ihr hier nachlesen könnt.
In diesem 1. Teil beschränke ich mich lediglich auf die Schmerzentstehung. Hier geht es darum, was sich so alles im Hundekörper abspielt...
Oft ist es ja so, dass wir lange gar nichts bemerken, weil unsere Hunde Meister darin sind,
etwas zu verbergen.
Doch je besser wir
unsere Hunde kennen und beobachten, desto früher erkennen wir kleinste
Anzeichen von Unwohlsein an ihnen.
Ein gesunder,
schmerzfreier Hund ist leicht zu erkennen:
- Er spielt, springt, läuft ohne
Bewegungseinschränkung
- Er hat ein schönes, glänzendes Fell
- Er hat auch mit ziemlicher Sicherheit
ein fröhliches Gemüt
- Er frisst normal und wahrscheinlich
schmeckt´s ihm auch
- Er strahlt übers ganze Gesicht
- Er ist aktiv und man sieht ihm die
Lebensfreude an
Tut dem Hund
allerdings aktuell etwas weh und empfindet er Schmerz, können wir als Besitzer
wahrscheinlich auch Veränderungen in seinem Wesen feststellen.
Vielleicht ist der Blick dann nicht mehr ganz so
strahlend, vielleicht ist der Hund beim Fressen etwas mäckeliger, vielleicht
steht er um eine Sekunde später auf für den Spaziergang, den er sonst so liebt,
vielleicht lässt er sich 2 x bitten, ins Auto zu springen, vielleicht lässt er
sich ungern angreifen und streicheln, obwohl es ihm sonst immer so gefällt,
gekrault und geknuddelt zu werden…..
Das sollte für uns jedenfalls ein Hinweis darauf sein, dass etwas mit der Fellnase nicht stimmt!
WAS IST SCHMERZ?
Schmerz ist eine an sich sehr effiziente Reaktion des Körpers auf ihn schädigende Reize.
Diese Reize können von außen (Verletzung, Kälte, Hitze, etc.) oder von innen (Entzündungen, degenerative Veränderungen, Tumore, etc.) auf ihn einwirken und sie verlangen eine (Schutz)Reaktion des Organismus – z.b. Pfote bei Hitze wegziehen, in Notsituationen Flucht oder aber auch Ruhe bei Entzündungsschmerz in Gelenken uvm.
Ein Akut-Schmerz ist also mit einem Frühwarnsystem
zu vergleichen: "Vorsicht!!! Da ist was nicht in Ordnung!!!!"
Wenn ein physiologischer Schmerz (Akutschmerz)
jedoch länger anhält, wird er zum Stressor und ruft damit verschiedene
Stress-Reaktionen des Körpers hervor. Damit wird er zum pathologischen Schmerz!
PHYSIOLOGISCHE SCHMERZENTSTEHUNG
Der Prozess der Reizaufnahme (z.B. Hitze) von Rezeptoren in der Peripherie (z.B. Pfote), der Weiterleitung des Impulses über das Rückenmark zum Gehirn und der dort stattfindenden Wahrnehmung wird als Nozizeption bezeichnet.
Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) befinden sich überall im Körper – in der Haut, in den Muskeln, Faszien, in der Umgebung von Gelenken, im viszeralen Bereich (Eingeweide, Organe)…in manchen Arealen mehr, in manchen weniger an der Zahl. Stimuliert werden diese Rezeptoren über mechanische, chemische, thermische oder elektrische Reize.
Die Nozizeption durchläuft verschiedene Phasen von der Reizaufnahme bis hin zur Wahrnehmung des Schmerzes:
.) Bleiben wir beim
Beispiel mit der Hitze und der Pfote: Setzt der Hund die Pfote auf heißen
Asphalt, erfolgt die 1. Phase = Transduktion.
Dabei wird der thermische Reiz (heißer Asphalt) an den Rezeptoren in einen
elektrischen Impuls umgewandelt, damit er weitergeleitet werden kann.
.) Darauf folgt die Transmission (2. Phase), die eigentliche Weiterleitung über die Nervenfasern in Richtung Rückenmark. Sie erfolgt im Grunde in zwei Wellen: Die „schneller“ leitenden Fasern erzeugen den ersten, „stechenden“ Schmerz, die „langsameren“ Fasern bringen den nachfolgenden „dumpfen“ Schmerz.
.) Bei der Modulation
(3. Phase) spielt das
Hinterhorn des Rückenmarks eine wesentliche Rolle. Es erhält über die sensiblen
Nervenfasern aus der Peripherie sämtliche Informationen über den Schmerzimpuls
und selektiert sozusagen die Schmerzempfindung.
Ist der Impuls
„stark“ genug, wird er über das Rückenmark ans Gehirn weitergeleitet. Wird das aktuelle
Schmerzempfinden durch einen anderen Reiz stimuliert, kann der
Ursprungs-Schmerz entweder vermindert (oder auch verstärkt) empfunden werden.
(„Gate-Control-Theorie“)
Am Beispiel der Hundepfote auf dem heißen Asphalt, lässt sich das ungefähr so darstellen: Der Hund spürt den thermischen Reiz (Hitze) als Schmerz, dessen Impuls sich auf den Weg Richtung Rückenmark begibt. Wenn wir als aufmerksame Hundebesitzer, die wir die Reaktion unseres Hundes bemerkt haben, daraufhin die Pfote z.B. drücken (mechanischer Reiz), wird der eigentliche Schmerz (Hitze) als gar nicht mehr so schlimm empfunden.
Dasselbe geschieht,
wenn wir uns die Hand an der Tischkante anschlagen und wir daraufhin die
betroffene Stelle reiben oder drücken.
Die
Schmerzintensität des ursächlichen Reizes wird also durch einen anderen Reiz
überlagert – und diese Selektion übernimmt das Hinterhorn des Rückenmarks.
Aber nicht nur hier findet eine Filterung statt. In allen Phasen der (Schmerz)Reiz-Weiterleitung sind verschiedenste Systeme zwischengeschaltet, die entweder schmerz-lindernd (oder sogar schmerz–ausschaltend) oder schmerz-verstärkend wirken.
.) Ist der Schmerzreiz jedoch – wie schon gesagt - stark genug, um nicht ausgeschaltet werden zu können, erfolgt die 4. Phase, die Projektion, in der der Schmerzreiz über das Rückenmark ins Gehirn weitergeleitet wird.
.) Passiert der Reiz den Übergang zum Gehirn, wird er zunächst vom Thalamus "in Empfang" genommen. Der Thalamus ist ein Teil des Zwischenhirns und agiert als eine Art „Torwächter“. Er inspiziert den Reiz und entscheidet quasi darüber, ob der Reiz „wichtig“ genug ist, ihn an die Großhirnrinde weiterzuleiten. Dabei "berät" sich der Thalamus mit anderen Hirnarealen, wie z.B. dem Limbischen System, das für die emotionale Bewertung verantwortlich ist, um eine „optimale“ Entscheidung treffen zu können.
.) In der 5. Phase erfolgt die bewusste Wahrnehmung des Schmerzimpulses in der Großhirnrinde (Kortex) des Gehirns – die Perzeption. Der Hund spürt den Schmerz bewusst und reagiert auch möglicherweise darauf, z.B mit Aufjaulen.
Es ist unglaublich, wenn man sich vorstellt, wie viele Phasen ein Schmerzimpuls durchläuft, wie viele Systeme zwischengeschaltet sind, um auch notwendige Botenstoffe ausschütten zu können – und vor allem in welch kurzer Zeit, nämlich in Bruchteilen von Sekunden!!!
Ich hoffe, ich konnte Euch in diesem Artikel halbwegs verständlich den Ablauf der Schmerzentstehung und des Schmerzprozesses verdeutlichen. Wie am Anfang schon gesagt, ist dieses Thema unendlich weitläufig und ich könnte mich noch in die einzelnen biochemischen Abläufe vertiefen, aber das würde tatsächlich den Rahmen sprengen.
Für diejenigen von Euch, die der prinzipielle Ablauf des Schmerzgeschehens interessiert, sollte dieser "Überblick" fürs Erste genügen.
Im nächsten Beitrag widme ich mich den Arten des Schmerzes und gebe Euch einige Informationen darüber, welche Gefahren beim Schmerzgeschehen auftreten können.
Und natürlich gibt es hier den obligatorischen Hinweis:
Bei jeder Form von Schmerz sucht bitte den Tierarzt / die Tierärztin Eures Vertrauen auf, um Eurem Liebling auf schnellstem Wege zu helfen!!!!
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