WELCHE ARTEN VON SCHMERZ GIBT ES?
Wir unterscheiden 2 Arten von Schmerz – den akuten und den chronischen.
Beim akuten
Schmerz ist die Ursache meist erkennbar.
Der Organismus reagiert sofort mit Gegenmaßnahmen, um Folgeschäden zu
vermeiden, der Schmerz ist in der Regel zeitlich begrenzt und gut zu behandeln,
das Ende des Schmerzgeschehens absehbar.
Im Beispiel von Artikel Teil 1 wird die Pfote sofort gehoben, um nicht weiteren Verbrennungen ausgesetzt zu
sein, und etwaige Schäden der Ballen können gleich behandelt und die
Schmerzdauer somit relativ begrenzt werden.
Beim chronischen
Schmerz ist die Sache nicht
ganz so einfach.
Bleibt die Ursache
für akuten Schmerz unbemerkt und unbehandelt, und bleibt das Schmerzgeschehen
somit für längere Zeit aufrecht, entwickelt sich der chronische Schmerz.
Schmerz gilt ungefähr ab einer Dauer von über 3 Monaten (in mancher Literatur auch 6 Monate) als chronisch, oftmals lässt sich die Ursache des Schmerzgeschehens gar nicht mehr eruieren, der „Frühwarn“-Charakter des Akutschmerzes ist nicht mehr vorhanden, das Ende des Schmerzzustandes ist nicht vorhersehbar und letztendlich wird der Schmerz selbst zu Krankheit!
Je länger der chronische Schmerz besteht, umso geringer ist die Chance, die ursprüngliche Schmerzquelle heraus zu filtern, und umso schwieriger ist es, geeignete Behandlungsmöglichkeiten zu finden. Da sich der gefühlte Schmerz immer mehr ausbreitet, je länger er andauert, ist die Gefahr umso größer, den Ursprung des Schmerzes an der falschen Stelle zu lokalisieren.
Ein Beispiel: Man vermutet die Halswirbelsäule des Hundes als Schmerzquelle, weil er den Kopf etwas schief hält, dabei ist die Ursache im Lendenbereich zu finden. Weil aber die Schmerzen in der Lendenwirbelsäule aus welchen Gründen auch immer unentdeckt geblieben sind, hat sich das Schmerzgeschehen über die Rückenmuskulatur bis vor zur Halswirbelsäule ausbreiten können.
SCHMERZGEDÄCHTNIS…SCHMERZSPIRALE – was heißt das schon wieder?
Es besteht die Gefahr, ein „Schmerzgedächtnis“ auszubilden, bei dem durch das andauernde Schmerzempfinden die Nervenzellen ständig gereizt werden. In Folge reagieren sie noch sensibler und stärker, die Wahrnehmung des Hundes verändert sich, er empfindet noch intensiver Schmerz, - selbst eine sanfte Berührung kann er schon als schmerzhaft empfinden -, und das, obwohl der ursprüngliche Schmerzreiz unverändert geblieben ist. Im extremsten Fall ist die ursprüngliche Schmerzquelle gar nicht mehr vorhanden, somit dürfte also auch kein Schmerz mehr empfunden werden, der Hund leidet aber immer noch.
Die nächste Gefahr
ist die der sogenannten „Schmerzspirale“. Das ist ein
Teufelskreis, dem man unbedingt entkommen muss!!!!
Anfänglich ist z.B.
das Muskelgewebe rund um das ursächliche Schmerzareal vermehrt angespannt, um
den Schmerz etwa bei Bewegung oder Belastung auszugleichen.
Bleibt dieser
gesamte Zustand aufrecht, reagiert die Muskulatur mit einer weiteren
Tonuserhöhung, es kommt durch die Anspannung zu einer Mangelversorgung und in
weiterer Folge zu Hartspann, was das Schmerzempfinden wiederum erhöht. Der Hund
nimmt unbewusst
eine Schonhaltung ein, um dem Schmerz auszuweichen.
Es werden immer
weitere Muskelgruppen in das Geschehen mit einbezogen, auch sie reagieren mit
Verspannungen, der Schmerz wird noch flächiger und größer verspürt.
Der Hund nimmt
mittlerweile schon ganz bewusst
eine Schonhaltung ein, als Folge davon sind
wieder andere Muskelgruppen, knöcherne Anteile und Gelenke in Mitleidenschaft
gezogen.
Die Lebensqualität
Schmerz-betroffener Hunde ist oftmals stark eingeschränkt.
Was uns Hundehalter
in einer solchen Situation bleibt, ist der Versuch, die Schmerzen des Hundes zu
lindern, ihm trotzdem so viel Behagen wie nur möglich zu schaffen und seine
Lebensqualität dadurch zu steigern, und im besten Fall die Schmerzquelle zu finden und zu beseitigen.
Je nach Körperareal, wo der Schmerz sitzt, wird er entweder als somatischer Schmerz – von der Haut, dem Bewegungsapparat oder dem Bindegewebe ausgehend, als viszeraler Schmerz – von Eingeweiden/Organen ausgehend, oder als neuropathischer Schmerz, bei dem das Nervensystem selbst beteiligt ist, bezeichnet.
COOLER HUND oder DRAMA-QUEEN
Eines ist mir noch ganz wichtig zu erwähnen: Jedes Lebewesen hat ein individuelles Schmerzempfinden!!!
Als Schmerzschwelle
bezeichnet man den kleinsten Reiz, der zu einer Schmerzreaktion führt.
Als Schmerztoleranzgrenze
gilt der größte noch "freiwillig" ertragene Schmerzreiz.
Beides ist bei
jedem Individuum unterschiedlich!!!
Während ein „cooler
Hund“ den Piekser einer Spritze nicht mal spürt, quiekt und jault die
„Dramaqueen“ schon beim Anheben einer Hautfalte.
Abgesehen von den
unterschiedlichen biochemischen Prozessen in Lebewesen spielt bei der
Schmerzempfindung ein Faktor eine große Rolle: die Emotionen!!!
Wir wissen, dass
Tiere ebenso Freude, Kummer, Angst oder Stress empfinden können wie wir
Menschen, und je nach Stimmungslage können sie Schmerz auch als mehr oder
weniger empfinden.
Ebenso fließen die
Herkunft, die Haltungsbedingungen oder auch die Erfahrungen, die der Hund
erlebt hat, eine wichtige Rolle bei dessen Schmerzempfindlichkeit.
Das können wir Hundehalter z.B. bei der Versorgung in der Tierarzt-Praxis zum Vorteil des Hundes verwenden. Wir können ihm vielleicht während der Behandlung der verbrannten Pfote ein Leckerli reichen und damit seinen Fokus weg von dem Schmerz hin zum Keks lenken. Damit verschönern wir dem Hund den Tierarztbesuch, nehmen ihm damit den Schrecken und schenken ihm hoffentlich auch eine positive Erfahrung, damit er lernt: Ein Tierarzt-Besuch ist nicht das Schlimmste auf dieser Welt.
Der Gang zum Tierarzt/zur Tierärztin unseres Vertrauens ist natürlich unerlässlich. Mit seiner/ihrer Unterstützung kann bei einer akuten Verletzung schnell geholfen werden oder bei länger anhaltendem Schmerz ein geeignetes Schmerz-Management erstellt werden, um dem Hund die bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen.
Vorrangigstes Ziel
ist natürlich die Schmerzlinderung!
Im zweiten Schritt wird hoffentlich die Schmerzquelle gefunden (bei länger bestehendem Schmerz) und behoben.
Im nächsten Artikel gehe ich auf die Behandlungsmöglichkeiten ein, gebe Euch einen groben Überblick über Medikamente, die zum Einsatz kommen können, aber auch über andere Formen der Behandlung.
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